202006.10
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Fragerecht des Arbeitgebers nach Vorstrafen im Bewerbungsgespräch (unzulässige Fragen)

Kein allgemeines Fragerecht zu Vorstrafen des Bewerbers

Es besteht kein unbeschränktes allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers in Bezug auf Vorstrafen des Bewerbers. 

 

Wie führe ich als Arbeitgeber Bewerbungsgespräche?

Bewerbungsgespräche sind für viele Arbeitnehmer Stresssituationen. In dem Bemühen, einen guten und professionellen Eindruck zu vermitteln, beantworten viele Bewerbungskandidaten bereitwillig sämtliche Fragen der Arbeitgeber. Erst später wird hinterfragt, ob einzelne Fragen auch tatsächlich zulässig waren. Die Frage nach der Schwangerschaft einer Bewerberin beispielsweise ist eine der Fragen, deren Unzulässigkeit sich unter Arbeitnehmern bereits herumgesprochen hat. Die Zulässigkeit vieler anderer Fragen ist dagegen sowohl auf Arbeitgeberseite, als auch bei den Arbeitnehmern oftmals unbekannt. 

Stellt der Arbeitgeber in dem Bewerbungsgespräch jedoch unzulässige Fragen, so geht dies zu seinen Lasten und kann sogar Schadensersatzforderung auslösen!

Arbeitgeber sollten daher im Vorfeld rechtssicher klären, welche Fragen zulässig gestellt werden können. 

 

Arbeitsgericht Bonn entscheidet gegen den Arbeitgeber / Ausbildungsbetrieb

In einer aktuellen Entscheidung des Arbeitsgerichtes Bonn (Aktenzeichen 5 Ca 83/20) vom 20.05.2020 hatte der Arbeitgeber (Ausbildungsbetrieb) diese Grundsätze nicht beachtet.

Ein Auszubildender zur Fachkraft für Lagerlogistik hatte im Rahmen seines Einstellungsverfahrens bei der Arbeitgeberin ein sogenanntes „Personalblatt“ auszufüllen. In diesem sollte er pauschale Angaben dazu machen, ob gegen ihn gerichtliche Verurteilungen oder schwebende Verfahren bestünden. Er wählte die Antwortmöglichkeit „Nein“. Tatsächlich war dem Bewerber zu diesem Zeitpunkt jedoch bekannt, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Raubes anhängig war und die Hauptverhandlung eröffnet werden sollte. Das Bewerbungsgespräch verlief erfolgreich, die Ausbildung begann. Im Juli 2019 teilte der Auszubildende seinem Vorgesetzten mit, dass er eine Haftstrafe antreten müsse. Die Ausbildung könne während seiner Freigänge fortgeführt werden.

Dies veranlasste den Ausbildungsbetrieb dazu, den Ausbildungsvertrag wergen arglistiger Täuschung anzufechten. Die hiergegen gerichtete Klage des Auszubildenden hatte vor dem Arbeitsgericht Bonn Erfolg. 

 

Welche Fragen sind zulässig im Bewerbungsgespräch?

Der Arbeitgeber darf beim Arbeitnehmer bei der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses Informationen zu Vorstrafen einholen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies „erfordert“, dh. bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt (so bereits BAG, Urteil vom 20. März 2014 – 2 AZR 1071/12 -). Das Arbeitsgericht Bonn entschied, dass sich der Arbeitgeber bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt nach anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren erkundigen darf, wenn ein solches Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen kann.

Fehlen diese Zusammenhänge, ist die pauschale Frage nach Vorstrafen oder anhängigen Straf- und Ermittlungsverfahren unwirksam.