202209.01
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Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für Betriebsratsschulungen

Worum ging es?

Der Betriebsrat beschloss die Teilnahme eines neuen Betriebsratsmitglieds an einer Schulung, wobei es sich um ein Grundlagenseminar handelte. Das neue Betriebsratsmitglied nahm an diesem Seminar teil. Bei dem Seminar wurde ein sog. „Starter-Sets“ ausgehändigt, bestehend aus einem „Tablet für die Betriebsratsarbeit“, einem Handkommentar Fitting zum BetrVG mit Wahlordnung, einer DTV-Ausgabe der Arbeitsgesetze, einem USB-Stick, einem Laserpointer, einem Taschenrechner und einer „praktischen Tasche“. Auch konnte jeder Teilnehmer eine „kostenfreie anwaltliche Erstberatung durch einen erfahrenen Rechtsanwalt“ in Anspruch nehmen. Der Seminarveranstalter stellte dem Betriebsrat die Seminargebühr iHv. 699,00 Euro zzgl. Mehrwertsteuer sowie drei Tagespauschalen iHv. jeweils 58,62 Euro und drei Parkgebühren iHv. jeweils 6,72 Euro zzgl. Mehrwertsteuer. Dem Schulungsteilnehmer entstanden außerdem Fahrtkosten iHv. 167,40 Euro.

Die Beteiligten stritten vor dem Bundesarbeitsgericht nunmehr darüber, ob die Arbeitgeberin dazu verpflichtet ist, den Betriebsrat von Schulungskosten des Betriebsratsmitglieds freizustellen und dem Mitglied, das die Schulung besuchte, entstandene Reisekosten zu erstatten.

Die Arbeitgeberin lehnte die Übernahme der Kosten ab. Sie war der Auffassung, es handele sich „bei dem Startkit um Akquise-Geschenke, die weit über den Rahmen einer kleinen Anerkennung hinausgehen“.

 

Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Arbeitgeberin die Kosten erstatten muss. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG habe der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Hierzu würden auch die Kosten gehören, die aufgrund der Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung entstünden, sofern das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich sei. Bei Schulungen für erstmals gewählte Betriebsratsmitglieder, in denen Grundkenntnisse vermittelt werden würden – wie im zugrundeliegenden Fall –, brauche die Schulungsbedürftigkeit nicht näher dargelegt werden. Anders sei dies bei sonstigen Schulungsveranstaltungen.  Im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme besitze der Betriebsrat einen Beurteilungsspielraum. Das Bundesarbeitsgericht nannte folgende Maßstäbe für die Ausübung dieses Beurteilungsspielraums:

 

 

„Der Betriebsrat ist verpflichtet, den Arbeitgeber nur mit Kosten zu belasten, die er für angemessen halten darf. Er hat darauf bedacht zu sein, die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Bei der Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundenen finanziellen Belastungen des Arbeitgebers zu berücksichtigen und darauf zu achten, dass der Schulungszweck in einem angemessenen Verhältnis zu den hierfür aufzuwendenden Mitteln steht [...]. Daher darf er die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung nicht für erforderlich halten, wenn er sich vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann [...]. Der Betriebsrat ist allerdings nicht gehalten, anhand einer umfassenden Marktanalyse den günstigsten Anbieter zu ermitteln und ohne Rücksicht auf andere Erwägungen auszuwählen [...]. Entsprechend muss er sich nicht für die kostengünstigste Schulungsveranstaltung entscheiden, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält [...].“

 

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin habe der Betriebsrat das Seminar nicht unzulässig ausgewählt. Das Seminar falle nicht aus den Maßstäben des Beurteilungsspielraumes heraus, weil dort Seminarbeigaben – das „Starter-Set“ – überlassen wurden. Dies folge daraus, dass die Seminargebühr marktüblich gewesen sei und vergleichbare Seminare nicht deutlich günstiger angeboten worden seien. Nur dann, wenn es Anzeichen dafür gegeben hätte, dass die Seminarbeigaben die Höhe des Seminarpreises maßgeblich beeinflusst hätten, sei eine Überschreitung des Beurteilungsspielraumes denkbar. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Auch die Fahrtkosten, die Tagungspauschale sowie die Parkgebühren müsse die Arbeitgeberin erstatten. Die Anspruchsgrundlage hierfür finde sich in § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 6 Satz 1 BetrVG. (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 17.11.2021, 7 ABR 27/20)